1938 veröffentlichte der Erfinder und Gestalter René Bertrand in Paris den vom Dokumemtarfilmer Jean Painlevé produzierten Farbfilm Barbe Bleue. Erst in den 1990er Jahren konnte der im Krieg beinahe verschollene Kurzfilm, der als erste gänzlich auf Knetfiguren basierende Animation gilt, in guter Qualität wiederveröffentlicht werden.
Die 12-minütige Animation mit einer Opernmusik von Maurice Jaubert ist eine Adaption der Erzählung La Barbe bleue, welche 1697 von Pierre Perrault, dem Sohn von Charles Perrault, in einer kleinen Märchenanthologie herausgegeben wurde. Darin heiratet eine Frau einen reichen und älteren Mann, bricht sein Verbot eine verbotene Kammer zu betreten, entdeckt darin mehrere von Blaubart getötete Ehefrauen und kann sich mit Hilfe ihrer Schwester und ihrer beiden Brüder, die am Ende Blaubart töten, retten.
Die Erzählung ist zwar in zahlreichen Versionen bekannt, doch es ist die ab 1900 virulente Diskussion um den als Kindermörder angeklagten Gilles de Rais, welcher 1440 in einem Inquisitionsprozess hingerichtet wurde, welche der Animation einen mittelalterlichen Rahmen gibt. Als Herrscher und Kreuzritter enthauptet Blaubart seine Söldner zum Freizeitvergnügen und kämpft brutal gegen die Sarazenen. Vermutlich liessen sich Bertrand und Painlevé von Antonin Artauds 1932 erschienem Konzept des Theaters der Grausamkeit ("théâtre de la cruauté") inspirieren. Bei ihnen wird die Kritik am grausamen Herrschertum zum Appell gegen den Faschismus in Europa, den Painlevé aktiv bekämpfte.
In seiner kulturhistorischen Analyse weist Michael Hiltbrunner auf Umstände und Ideen dieses aussergewöhnlichen Films auf, welcher im Anschluss gezeigt wird.
Der Vortrag ist Teil der Reihe "Forum KK" für Forschung in Kunst und Kultur, welche Michael Hiltbrunner in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW) organisiert.
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7. Juli 2009, 19 Uhr
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe
Reinhold-Frank-Str. 81–83
76133 Karlsruhe
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Abbildung: René Bertrand, Barbe Bleue (1938), Filmstills
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